Adelsprojekt: Digitalisate sind eingetroffen
Mitte November sind die ersten Digitalisate von Reichskammergerichtsakten aus dem Landesarchiv NRW in Düsseldorf eingetroffen. Dabei handelt es sich um die über mehr als 100 Jahre geführte gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Freiherren von Boulers als Erben von Buschbell und Frechen auf der einen und den Nachkommen einer Seitenlinie des ehemaligen Frechener Geschlechts der von Hochsteden auf der anderen Seite. Fast 2000 Seiten stark ist die Lieferung, die zunächst von Klaus Erich Schulte transkribiert, d. h. abgeschrieben und gleichzeitig für eine evtl. spätere Verwendung in Veröffentlichungen und Editionen aufbereitet wird.
Der ehemalige Frechener Stadtarchivar Karl Göbels hatte in einigen Privatarchiven und in den Klosterarchiven, die sich im Historischen Archiv der Stadt Köln befinden, das Thema vor mehr als vier Jahrzehnten schon einmal entdeckt. Zahlreiche Einzelfundstellen zu Adligen, ihren Familien und Besitztümern in Frechen sind in seinem Buch „Wappen von Frechen“ von 1966 zusammengetragen.
„Allerdings konnte Göbels damals noch nicht die Zusammenhänge herstellen – zwischen den einzelnen Familien, ihren jeweiligen Interessenlagen in und um Frechen und Ereignissen der überörtlichen Geschichte. Deshalb lohnt es sich, das noch einmal richtig anzupacken.“, begründet der Vorsitzende Dr. Franz-Joseph Kiegelmann das Interesse des Vereins am Adelsthema. Der Anstoß kam jedoch von außen: im Frühjahr hatte das Deutsche Historische Institut Paris den Geschichtsverein eingeladen, sich dem Projekt „Der rheinische Adel 1750-1850 in westeuropäischer Perspektive – ein Thema für Geschichtsvereine?“ anzuschließen. Zwei Tagungen haben dazu bislang in der Abtei Brauweiler stattgefunden, wo das Archivberatungszentrum des Landschaftsverbands Rheinland als Kooperationspartner ansässig ist.
Jetzt beginnt auch die Arbeit in Frechen. Aus dem Landesarchiv NRW in Düsseldorf sind Mitte November drei CD-ROMs mit Digitalisaten von Reichskammergerichtsakten eingetroffen, die der Leiter der Arbeitsgruppe „Adel in Frechen“, Martin Bock, als neue Quellen für das Thema entdeckt hat. Bock, Geschäftsführer des Geschichtsvereins und Frühneuzeit-Historiker, erläutert: „Obwohl es sich um Prozessakten handelt, ist das eigentliche Gerichtsverfahren gar nicht so interessant. Viel wichtiger sind die schriftlichen Beweismittel, mit denen die Adligen ihre Ansprüche – auf Häuser, Grundstücke oder Herrschaftsrechte – zu belegen versuchten.“ Hier finden sich bislang völlig unbekannte Dokumente, die weit über den Horizont des konkreten Verfahrens hinaus gehen. So sind etwa zahlreiche Lehnsbriefe erhalten, Urkunden, die über die Weitergabe der Frechener Herrschaften Auskunft geben. Außerdem können aufgrund der jeweils angeführten Stammtafeln, die zum Nachweis der Erbberechtigung dienen sollten, nunmehr die von Karl Göbels nur bruchstückhaft zusammengetragenen Genealogien der Frechener Adelsfamilien umfassend komplettiert werden. Heiratsverträge geben Aufschluss darüber, wie die adligen Familien systematisch ihren Besitz zu erweitern und zu sichern versuchten.
Einzelne Schriftstücke machen adlige Lebenswelten im Frechener Raum sehr konkret. So erfährt der Leser aufgrund eines entsprechenden Verbots, dass der Freiherr von Boulers und Graf von Wonsheim eigenhändig, aber widerrechtlich im Buschbeller Wald Bäume fällte und damit einen florierenden Holzhandel unterhielt. Selbst über Frechen hinaus werden die Akten Interesse finden: über die alte Bottenbroicher Kirche etwa, in der Wilhelm von Hochsteden im Jahr 1509 beerdigt wurde, sind Details über die Ausführung und Restaurierung des Altars im 17. Jahrhundert zu erfahren.
Als erster Schritt werden die jetzt in Frechen eingetroffenen, rund 2000 handschriftlichen Seiten transkribiert, d. h. abgeschrieben und damit auch für den Leser, der die alte deutsche Schrift nicht mehr lesen kann, zugänglich gemacht und gleichzeitig für eine spätere Veröffentlichung bzw. Edition vorbereitet. Dann will die Arbeitsgruppe einzelne Aspekte des umfangreichen Quellenmaterials aufarbeiten und etwa im Jahrbuch des Geschichtsvereins veröffentlichen. „Langfristig denken wir aber auch an eine Edition der Quellen oder eine größere Veröffentlichung zur Adelsgeschichte.“, sagt Bock. Reichlich Arbeit, denn alleine in Düsseldorf lagern insgesamt etwa 10.000 Seiten Material, das ausgewertet werden muss. Und dabei will es der Geschichtsverein nicht belassen, denn überall in Deutschland gibt es Archivdokumente, die die Geschichte des Adels in Frechen weiter erhellen.